Es begann 1981

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Mit einer Journalistenreise 1981 begann alles

Madeira - Natur pur, mitten im Atlantik

FUNCHAL: Das ist ja wie die Landung auf einem Flugzeugträger, schoss es mir durch den Kopf, als die rot-weiße LTU-Boeing 737 den Landeanflug auf Madeira einleitete. Damals, im November 1981, war die Landepiste nur rund 1781 Meter kurz. Eine Landung, ein Abenteuer. Ich durfte als Journalist im Cockpit der Maschine hinter Flugkapitän Eckhard Peters sitzen.

 

 

 

Als ehemaliger Bundeswehrpilot spürte ich die Bewegungen des Fliegers, die sich vom Gesäß auf meinen Körper übertrugen. Und ich spürte die Anspannung im Cockpit. Es war schon abenteuerlich, wie Peters den stählernen Vogel in die Rechtskurve zwang, unter uns der blaue Atlantik in greifbarer Nähe. Vorher sahen wir den „Flugzeugträger“, den Flughafen von Madeira, rechts voraus liegen. Von oben sah die Landepiste wie ein längeres Fußballfeld aus, das kompromisslos vorne und hinten im Meer endet. Meine Frau erzählte mir später, viele Passagiere hätten sich in die Sitzlehnen verkrallt, als der Ferienflieger mehrmals deutlich durchsackte. Auf Madeira gibt es kein automatisches Landesystem. Das Eiland wird nach Sicht angeflogen. Zur Rechten unter uns zeigt das Wasser deutlich erkennbare Schaumkronen. Längst ist der Autopilot ausgeschaltet. Er wäre hier auch nutzlos.

 

 


 

Eine heftige Windbö trifft das Flugzeug und lässt es einige Meter absacken. Voraus auf der linken Seite kommen Häuser zum Greifen nahe zum Vorschein. Man kann die Menschen sehen, so dicht kommen wir heran. Autos fahren auf der Straße mit uns um die Wette. Noch immer befinden wir uns in der Rechtskurve, knapp 180 Meter über dem blauen Meer. Dann taucht vor uns die Landepiste auf. Sie ragt fast 60 Meter steil aus dem Meer empor. Noch sind wir eineinhalb Kilometer von diesem „Flugzeugträger“ entfernt und nähern uns rasch. Immer wieder wird die Maschine durch Turbulenzen durchgeschüttelt. Auch im Cockpit merkt man, wie das Flugzeug schaukelt, doch Flugkapitän Peters hat das 60 Tonnen schwere Fluggerät sicher im Griff. Deutlich ist der Aufsetzpunkt der Landebahn zu sehen. Er ist schwarz eingefärbt durch den Gummiabrieb der gelandeten Maschinen. Wir kommen mit 100 Meter Überhöhung vor dem Flugfeld an. Automatisch zählt der Computer den Flieger runter. „50, 40, …, 10, Touchdown.“ Exakt setzt der Flieger auf. Auf den erwarteten heftigen Ruck wartet man bei dieser Landung vergeblich. Scharf wird die Boeing abgebremst. Geschafft.

 


 

Die Passagiere klatschen frenetisch Beifall. Die rot-weiße Maschine aus Düsseldorf rollt auf ihre Parkposition. Wir sind nach dreieinhalb Stunden Flugzeit auf Madeira angekommen. Als die Türen aufgehen, umfängt uns eine samtweiche, warme Luft.

Heute ist der Flughafen immer noch ein Flugzeugträger, doch die Landebahn ist seit dem Jahr 2000 auf 2777 Meter verlängert worden. Ein Teil der Landebahn, 1020 Meter, wurden über das Meer gebaut, getragen von drei Meter dicken Stützpfeilern. Jetzt können alle Arten und Größen von Flugzeugen auf der Insel landen, und der Pilot muss den Flieger nicht mehr so scharf abbremsen. Trotzdem ist das Landen wegen der „Flugzeugträger-Lage“ nicht einfacher geworden und nur von der portugiesischen Flugaufsicht lizensierte Flugkapitäne (keine Co-Piloten) dürfen auf Madeira landen.

 


 

In Funchal des Jahres 1981 herrscht eine ganz andere Welt als in Deutschland. Alte Autos, besonders viele britische Austins, fahren durch sehr enge Straßen, auf denen noch keine Verkehrsampel den Verkehr regelt. Dafür stehen an Hauptkreuzungen Polizisten im Tropenhelm und weisen den Autofahrern den Weg. Ochsenschlitten transportieren Touristen und Waren durch die engen Gassen der Hauptstadt. Zahlreiche Tante Emma Läden säumen die Straßen. Sie bieten Waren an, zum Beispiel zwölf Hühnereier fein säuberlich in Packpapier eingepackt. Dort schneidet auch ein freundlicher Verkäufer aus der Mitte einer großen Gummimatte eine Dichtung für den Gartenschlauch heraus und packt diese fein säuberlich ein – natürlich mit einer Kordel drum herum, genau wie um das Eierpaket. In den Kontoren – wir nennen sie Büros – stehen Angestellte an Stehpulten und tragen zum Beispiel, wie im Finanzamt, Pkw-Daten in meterbreite Journale ein. Das Computerzeitalter hatte 1981 Madeira noch nicht erreicht. Zumindest nicht die Amtsstuben. Dann, irgendwann in den achtziger Jahren, kamen die ersten Verkehrsampeln. Und was machen die Madeirenser? Sie beachten die Lichter zumindest als Fußgänger nicht. So wie die alte Frau aus dem Campo, die gerade Apfelsinen auf dem Markt gekauft hat. Sie läuft trotz roter Fußgängerampel über die Straße und wird prompt von einem Auto erfasst. Die Frau fliegt samt ihrer Früchte im hohen Bogen durch die Luft und hat unverschämtes Glück gehabt. Fürchterlich schimpfend sammelt sie die Apfelsinen ein und humpelte sie davon. Ihr war offenbar nichts passiert. Was ein Glück. Auch heute, im Jahr 2013, haben die Madeirenser Fußgänger nicht wirklich Respekt vor den Ampeln. Da kann ein Polizist neben ihnen stehen, sie laufen bei Rot über die Straße, wenn denn die Autos noch weit genug entfernt sind.Den Uniformierten kümmert es nicht.

Die Touristen der 80er Jahre vergnügten sich - so wie heute - beim Korbschlittenfahren. Damals fuhren diese schnellen Gleiter noch bis nach Funchal hinunter.

 


 

Als Journalist standen mir auf der Insel quasi alle Türen offen. Christina Heine, eine in Caniço de Baixo lebende Deutsche, die an der Academia de Linguas Deutsch lehrte, brachte mich mit João Carlos Abreu, dem Regionalsekretär für Kultur und Tourismus, zusammen. João Carlos – auf Madeira redet man alle Leute mit den Vornamen an – schildert mir die Vorzüge der Insel. Er weiß von Christina, dass ich für eine große deutsche Zeitung schreibe. Wir sitzen im Lido-Restaurant und genießen den großartigen Ausblick auf den Atlantik und unser Essen. Ich hatte mir den Espada, den schmackhaften, im Rohzustand schauerlich aussehenden Tiefseefisch „com banana“ bestellt. Er schmeckte köstlich und gar nicht nach Fisch.

 

 


 

Dieses Gespräch mit dem Turismo-Chef brachte mich auf die Idee, eine deutschsprachige Zeitung für Touristen herauszugeben. Die Idee von „Madeira Aktuell“ war geboren. (Rechts die erste Ausgabe). Jetzt begann die Suche nach einem Partner. Dr. Don Glen Sandy, ein Amerikaner auf Madeira und Herausgeber des englischsprachigen „Madeira Island Bulletin“ bot seine Hilfe an. Doch es klappte nicht, denn im Jahr 1986 gab es noch keine Computer, jedenfalls keine bezahlbaren. Der Plan scheiterte aus logistischen Gründen, denn die Redaktion konnte zu dieser Zeit nur in Deutschland sein. Dann fand ich Pinto Fernandes, ein Madeirenser, der in Düsseldorf im portugiesischen Generalkonsulat arbeitete. Er ging zurück nach Madeira. Mit ihm zusammen klappte es dann schließlich. Wir fanden eine Druckerei auf der Insel, die die Zeitung drucken konnte. In Deutschland war es Werner D. Ludwig, Geschäftsführer einer großen Werbeagentur. Er gab uns die finanzielle Hilfe zur Anschaffung der notwendigen Computer und stellte mir die Räume zur Verfügung. Als RP-Redakteur besaß ich die Erfahrung im Umgang mit diesen technischen Geräten. Die erste Ausgabe erschien am 1. Mai 1989 in einer Auflage von 10.000 Stück. Das Grußwort schrieb die Honorarkonsulin Elisabeth Gesche. Madeira Aktuell erschien in dreiwöchigen Rhythmus und war sehr erfolgreich. LTU war unser Partner. Als Comail wurden die Disketten und Bilder von Düsseldorf nach Funchal gebracht. Mehr als zehn Jahre bestimmte die deutsche Touristenzeitung die Kontakte zwischen Urlauber und den Madeirensern. Dann starb überraschend Geschäftsführer Pinto Fernandes. Damit war die Herausgabe der Zeitung nicht mehr möglich, denn ich lebte noch in Deutschland. Im Jahr 2000 kreierte ich dann das Internetportal „Madeira News“. Diese Internetseiten, erreichbar unter madeira-news.de, wechselten ein paarmal ihr Aussehen. Zuletzt gestaltete mein Neffe, Oliver Grobe, das Outfit und gab dem Portal ein flottes Aussehen. Seit 2009 wurde madeira-news über 235.000 Mal aufgerufen. Jetzt, im Februar des Jahres 2013, ist Oliver wieder damit beschäftigt, das Internetportal zu überarbeiten.

 

 


 

Heute, im Jahr 2013, ist Funchal eine moderne, pulsierende Stadt und Madeira eine fortschrittliche Insel. Ob das ihr zum Vorteil gereicht, ist Ansichtssache. Zwar ist man in 15 Minuten dank der Tunnel von Funchal mit dem Auto z.B. nach Ribeira Brava gefahren, doch von der traumhaften Landschaft sieht man nicht viel, weil der Blick durch viele Tunnelwände eingeengt wird. Um die Schönheiten der Insel zu sehen, muss man über die alten Straßen fahren. Man braucht dann zwar gut eine Stunde bis Ribeira Brava, hat dafür aber das Meer an der einen Seite, Bananenhaine und Weingärten auf der anderen. Übrigens: Die Tunnelbauer haben Madeira in einen Schweizer Käse verwandelt.

 

 


 

1981 lernte ich auch einen ganz besonderen Madeirenser in Machico kennen, einen Mann, der vom Saulus zum Paulus wurde. Eleuterio Reis war einst der Comandante der Walfangstation in Caniçal. Als 1981 der Walfang rund um Madeira eingestellt wurde, mutierte der kleine stämmige Mann zum fast fanatischen Walschützer. Mit eigener Hand formte er das Halbmodel eines Wals, das in dem von ihm mitbegründeten Walmuseum in dem Fischerdorf Caniçal neben original Fangbooten und Harpunenlanzen ausgestellt ist. Heute ist aus dem anfänglichen Provisorium ein international anerkanntes Walmuseum geworden, in dem auch die Internationale Walfangkommission (IWC) getagt hat.

Als der Streifen „Moby Dick“ mit Gregory Peck in der Hauptrolle 1954 zum Teil vor Madeira gedreht wurde, weilte auch Regisseur John Huston auf der Blumeninsel. Großes Gaudi, als sich bei der Uraufführung die Walfänger in dem Film wieder erkannten. Die Statistenrollen machten sie bei ihren Landsleuten berühmt. In seiner Wohnung in Machico erzählt Comandante Eleuterio Reis mir stolz von seiner Mitwirkung als sachkundiger Berater beim Film um Moby-Dick. Eleuterio wusste von den Dreharbeiten auch eine lustige Begebenheit zu erzählen. Die Requisiteure hatten aus Gummi und Holzlatten einen Wal, eben diesen Moby-Dick, nachgebildet. Im Inneren dieses Ungetüms saß ein Mann, der mittels Tretbootmechanik das Ungetüm nach Anweisung von John Huston über die See vor Caniçal und São Laurenço schipperte. Dabei, so Eleuterio, frischte an einem Drehtag auf See der Wind etwas zu sehr auf. Die Wal-Attrappe geriet außer Kontrolle und drohte auf den offenen Atlantik hinaus zu treiben. Nur mit Hilfe der Marine sei der Gummiwal eingefangen worden. Ende gut, alles gut. Gegenüber Madeira News betonte der 1994 verstorbene Eleuterio Reis die Ungefährlichkeit der Waljagd. Trotzdem gab es ernsthafte Unfälle. Harpunierer haben sich in der Leine verfangen, die mit der Harpune verbunden ist, und wurden vom verwundeten Wal vom Boot ins Wasser gezogen.

Die ersten Walfänger kamen 1940 von den Azoren nach Madeira und wurden hier sesshaft. Die erste Walfangstation war in Porto Moniz, wo sie zehn Jahre blieben, über Funchal gingen sie dann nach Caniçal, wo sie sich bis 1981 einrichteten. Eine Zeit lang waren noch die alten, verrosteten Tanks für Walöl und die Betonbahn, auf der die Tiere an Land gezogen wurden, zu sehen. Die Tiere wurden zerteilt und der Speck zu Tran verkocht. Es stank fürchterlich in der Umgebung, wissen heute noch Anwohner zu berichten. Das Gelände der ehemaligen Walfangstation wird heute von der Freihandelszone beansprucht.

Funchal hat rund 112.000 Einwohnern. Hier ist auch der Sitz der autonomen Regierung mit Alberto João Jardim als Präsident an der Spitze. Er wurde 1978 zum ersten Mal gewählt. Während seiner Regierungszeit entwickelte sich Madeira von der ärmsten Region Portugals zur Region mit dem zweithöchsten Lebensstandard nach Lissabon. Sein Führungsstil gilt als autoritär und patriarchalisch. Er ist regionaler Chef der Mitte-rechts Partei PSD (alle Angaben zu Jardim aus Wikipedia). Jardim ist bei Teilen der Bevölkerung nicht unumstritten. Aber das ist ja bei (fast) jedem Regierungschef der Fall, warum also nicht auch auf Madeira. Trotz des starken Tourismo hat Madeira auch große Geldsorgen. Zum Beispiel die Feuerwehr (Bombeiros) haben seit Monaten kein Gehalt mehr bekommen. Krankenschwestern im Hospital geht es ebenso.

 


 

 

Seit 1996 gibt es zwischen Funchal und der deutschen Blütenstadt Leichlingen/Rhld. eine Städtepartnerschaft. Sie entstand aus einer Feuerwehrfreundschaft, die 1984 zwischen den Bombeiros in Funchal (BVM) und der Freiwilligen Feuerwehr Leichlingen auf Initiative der deutschen Honorar-Konsulin Elisabeth Gesche und dem Leichlinger Stadtbrandmeister Herbert Wieden begann, 1986 eine Feuerwehrpartnerschaft. Frau Gesche fragte mich damals, ob ich eine Feuerwehr in Deutschland kennen würde, die dafür infrage käme. Als Redakteur der Rheinischen Post hatte ich Kontakt zu Herbert Wieden und übermittelte ihm den Wunsch von Frau Gesche. Er sprang sofort darauf an. Heute findet ein reger Austausch von Bürgern, Schülern und Feuerwehrleuten statt. Erst kürzlich sangen zwei Leichlinger Kirchenchöre auf Madeira im Rahmen eines Jubiläums.

 


Inzwischen war ich so oft auf Madeira, dass ein Mietwagen zu teuer gekommen wäre. Ich schaute mich nach einen Gebrauchtwagen um und fand schließlich 1987 einen Oldtimer. Das war ein 230 SE, Baujahr 1963. Der Wagen hatte nur 60.000 Kilometer gelaufen. Er hatte eine Besonderheit, er war ein Rechtslenker. Ein von Südafrika nach Madeira ausgewanderter Engländer hatte in mitgebracht. Bei ihm stand der Oldi fast nur in der Garage, denn dem alten Herrn aus dem Königreich waren die Straßen auf Madeira zu eng. Er überließ mir die Karosse zu einem supergünstigen Preis. In einer Fachwerkstatt ließ ich den Wagen durch checken und neu königsblau Lackieren. Er sah jetzt wieder wie neu aus. Die maßgeschneiderten und angefertigten Ledersitze luden zu einem komfortablen Fahren ein. Da ich keine Garage auf der Insel hatte, fand der Mercedes sein Domizil in der Tiefgarage der Feuerwehr in Funchal. Doch das war sprichwörtlich am 29. Oktober 1993 sein Untergang. Ein gewaltiges Unwetter flutete die Tiefgarage so schnell, das es nicht mehr möglich war, den Oldi und die Privatwagen der Bombeiros zu bergen. Er hatte nur noch Schrottwert. Bereits einen Tag später landete Stadtbrandmeister Herbert Wieden von der mit der BVM befreundeten Leichlinger Feuerwehr mit zehn  Mann auf der Insel. Im Gepäck hatten die Leichlinger Tonnen an Hilfsgüter: Starke Pumpen, Schläuche, Decken und vieles mehr. Die TAP hatte die Ausrüstung in zwei Chargen von Köln über Lissabon nach Madeira geflogen. Eine Woche waren die Freunde zusammen mit den Bombeiros im Einsatz.

 

 


 

 

Meine guten Kontakte zur BVM entstanden durch die Vermittlung zweier Löschfahrzeuge, die mir die Stadt Leverkusen 1986 und 1988 für Madeira zur Verfügung stellte. Die Firma Bayer Leverkusen brachte die Fahrzeuge technisch auf den neusten Stand und übernahm den Transport zur Ferieninsel. Mit großer Freude holten die Bombeiros die roten Autos mit dem Blaulicht vom Hafen ab. Schiffe der Oldenburg-Portugiesische Dampfschiffs-Reederei – kurz OPDR, hatten die Löschautos von Rotterdam nach Funchal gebracht. Sie fahren heute – 2013 - noch auf der Insel. Damals titelte eine Leverkusener Zeitung „Blaulicht funkelt über Funchal“, ein Hinweis darauf, dass die beiden Einsatzfahrzeuge von ihren neuen Besitzern mit Blaulicht aus dem Hafen gefahren wurden.

 

 


 

 

 

Die Freundschaft zwischen den Feuerwehrleuten beider Länder hat sich im Laufe der Jahre vertieft. Es findet ein gegenseitiger Besucheraustausch statt. Auch sogenannte Bürgerreisen finden jährlich statt. Sie werden vom Freundeskreis Funchal/Madeira. Ihr Vorsitzender ist Dieter Nikolaus Schmitz. 1997 erhielt eine Leichlinger Wupperbrücke offiziell den Namen „Funchal Brücke“. Im Gegenzug weihte die Stadt Funchal eine „Rua de Leichlingen“ in einem Neubaugebiet in der Nähe des Schwimmbades „Lido“ ein. Übrigens, neben den schon erwähnten Bürgerreisen gibt es einen regen Schüleraustausch zwischen beiden Partnerstädten. Organisator ist hierbei der Schulleiter der Realschule Lothar Becker. Sogar die katholische und evangelische Kirche pflegt Kontakte zur Blumeninsel. Im Jahr 2012 besuchten der katholische Kirchenchor St. Johannes Baptist/St. Heinrich sowie der Figuralchor der evangelischen Kantorei Leichlingen den Korbflechterort Camacha. Beide Chöre sangen bei verschiedenen Veranstaltungen und begeisterten ihre Zuhörer auf Madeira.

 


 

Inzwischen lebe ich mit meiner Familie selber auf der Blumeninsel. Wir haben uns in Ribeira Brava an der Südküste den Ortsteil Boa Morte als Wohnort ausgesucht und fühlen uns sehr wohl. Die portugiesischen Nachbarn mögen uns. Wir bekommen viel geschenkt: Kartoffeln, Bohnen, Bananen, Anonas , Tomaten, Zwiebeln. Auch andere Land- und Baumfrüchte gehören dazu, die in Plastikbeuteln immer wieder einmal an unserem Haustor hängen. Im Gegenzug spendiere ich gelegentlich in der kleinen Cafébar in unserer Straße ein Bier oder einen Kaffee.

Boa Morte heißt zu Deutsch „guter Tod“. Unsere deutschen Freunde finden diesen Ortsnamen für ein Rentner-Ehepaar geradezu passend und wir belächeln diese Anspielung. Boa Morte wurde nach einer kleinen Kapelle hinter unserem Haus benannt. Dieses winzige Gotteshaus mit Platz für 12 bis 18 Personen ist der Nossa Senhora de Boa Morte geweiht, zu Deutsch „Unsere liebe Frau vom guten Tod“. Der Name stammt aus Brasilien. Er hat mit der Sklavenzeit zu tun.

 

 


In Boa Morte bekamen wir aber Mitte Juli 2012 den Schreck unseres Lebens. Auf Madeira brannte es. Zahlreiche Wälder und Kulturland wurden ein Raub der Flammen. Diese machten auch vor Boa Morte keinen Halt. Bis auf 20 Meter kamen die Flammen an unser Haus heran. Hinter unserem Grundstück steht die kleine Kapelle. Die haben wir mit Wasser gekühlt, denn unmittelbar neben dem Gotteshaus brannte Buschwerk. Die Flammen schlugen 20 Meter hoch. Hier mussten sich die Anwohner selber helfen, denn die Feuerwehr war an anderen Stellen eingesetzt.

Mit Wasser haben wir unsere Terrasse und die hölzernen Fensterläden abgespritzt, denn aus den brennenden Kiefernbäumen regnete es glühende Funken nieder. Die Feuerwalze rollte an unserem Haus vorbei talabwärts. Auf ihrem Weg vernichteten die Flammen viele  Feldfrüchte, Bäume, aber keine Häuser. Nur eine Ziege überlebte das Inferno nicht. Morgens um vier Uhr war der Spuk vorbei. Anderswo auf der Insel haben viele Familien ihr Heim verloren. Die materiellen Schäden der Waldbrände sind groß, die Häuser bis jetzt, Februar 2013, noch nicht alle wieder aufgebaut. Am Flughafen verdunkelten die dicken Qualmwolken von den Bränden in Gaula den Himmel. Am Straßenrand in Gaula sahen wir ausgebrannte Fahrzeugwracks.

 


 

Unserem Umzug von Monheim nach Ribeira Brava ging ein Jahr Vorbereitungszeit voraus. Der Umzugscontainer ist dank der Oldenburgisch-Portugiesischen-Dampfschiffs-Rhederei (OPDR) trotz eines heftigen Sturms auf dem Atlantik am 23. Dezember 2011 heil im Hafen von Caniçal/Madeira angekommen. Einen Tag später stand die Blechkiste neben unserem Haus.

 Die Zusammenarbeit mit dem Seeagenten Joachim Kirchhoff von der M.E.L. Maritime GmbH -Schiffahrt & Spedition - war vorzüglich. Wer also aus Deutschland auswandern möchte, sollte sich bei Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! informieren. Die Hilfestellung von Herrn Kirchhoff im Vorfeld kann viel Ärger ersparen. Das begann bereits mit Ratschlägen bei der Auswahl des Umzugsunternehmens, das den Container "seefest" beladen sollte. Dabei sollte man auf keinen Fall auf einen niedrigen Preis der Möbelpacker schauen. Das kann ins Auge gehen. Aber auch bei hochpreisigen Unternehmen muss nicht alles glatt laufen.

Ich hatte dem Leverkusener Umzugsunternehmen vorgeschrieben, dass der 40 Fuß-Container nur bis maximal sieben Meter mit Umzugsgut beladen werden darf, der restliche Platz war meinem Pkw vorbehalten. Der Oberpacker hat dann auch prompt einen Fehler gemacht und einen Drei-Meter-Wohnzimmerschrank "vergessen". Der Container, der eigentlich um 15 Uhr beladen sein sollte, musste zum Teil wieder entladen werden, denn um den Platz für das Auto zu schaffen, musste der Schrank tiefer im Blechbehälter verstaut sein. Schließlich um 18.30 Uhr war alles, inklusive Auto, verstaut. Die Zusatzkosten für die Standgebühr des Containers in Höhe von 140 Euro hat das Leverkusener Umzugsunternehmen übernommen. Ich hätte auf Herrn Kirchhoff hören sollen. Der warnte mich, weil der Leverkusener zum Beispiel keine Bretter zur Verdämmung des Umzugsgutes dabei hatte. Kirchhoff: "Ein guter Unternehmer, der sein Handwerk versteht, hat alle Hilfsmittel dabei."

 


 

Ich schreibe das hier, um andere Auswanderer vor unliebsamen Überraschungen zu bewahren. Bestens funktioniert hat dann der Transport des Containers von Caniçal nach Ribeira Brava/Boa Morte. Das übernahm die Firma Marfrete. Zuständig war Ricardo Carreira. Innerhalb eines Tages gelang es ihm, das Umzugsgut inklusive Auto durch den Zoll zu bringen und den Container bei mir abzuladen.

 Meine Freunde, sechs Bombeiros aus Funchal, entluden die Blechbüchse innerhalb von drei Stunden, schleppten die Möbel in die Wohnung und die Kartons in die Garage. Am nächsten Morgen nochmals drei Stunden und alle Schränke waren aufgebaut. Jetzt sind wir dabei, die Kartons peu a peu auszupacken. Wohnzimmer, Esszimmer, Schlafzimmer, das Zimmer unserer Madeirenser Ziehtochter Gilda, Küche und ein Badezimmer sind inzwischen funktionstüchtig.

 Das zweite Badezimmer dient noch als Zwischenlager für aus der Garage heraufgeholte Umzugskartons. Wer jetzt wissen will, was der ganze Spaß inklusive Autoverladen gekostet hat: 8170 Euro. Hinzu kamen noch Trinkgelder für die Jungs von der Feuerwehr Funchal, die ganze Arbeit geleistet haben. Auch in Monheim fielen zusätzliche Kosten an, um das Haus komplett zu reinigen (120 €) und für zwei alte Bekannte, die mithalfen, den Sperrmüll rauszustellen.

 Alles in allem dürften so 9000 Euro zusammengekommen sein. Auf den Umzug nach Madeira haben wir zwei Jahre eisern gespart. Also liebe Leute, wenn ihr kein Malheur erleben wollt, beauftragt für einen Madeira-Umzug neben der OPDR ebenfalls M.E.L. Maritime GmbH -Schiffahrt & Spedition. PS: Es kam alles Heil an. Nur ein Schloss war aus einem Sideboard herausgerissen, ein kleiner Glastisch war zu Bruch gegangen - das war`s.

 Die Story geht weiter, denn das Auto muss auch umgemeldet werden.

 


 

Um ein portugiesisches Nummernschild zu bekommen, muss man bei dem Marathon durch die Behörden eine ganze Portion Geduld mitbringen.

Von der Alfandega, dem Zoll auf Madeira, hab ich einen Laufzettel mit 14 Positionen erhalten, die es abzuarbeiten gilt. Erste Station war die "Direcção Regional de Transportes Terrestres" neben der neuen Post. Das ist quasi das Straßenverkehrsamt. Hier wurden alle Daten des Pkw aus dem Brief heraus aufgenommen. Dann an die Kasse, 45 € zahlen, und dann zur Waage der Zementfabrik in Câmera de Lobos. Das Werk bescheinigt, dass mein Laguna genau 1440 kg wiegt.

 Zurück zum SVA, das schickte mich und meinen Madeirenser Freund Joel zum Autohaus Zarco. Dort ist die Werksvertretung von Renault. Für 116 € bestätigt dort ein Ingenieur, dass die Fahrgestellnummer mit der Nummer im Kfz-Brief übereinstimmt. Dann wieder zurück zu den „Terristrischen“. Wir bekamen einen Termin bei einem Ingenieur, der vor dem Haupteingang des Fußballstadions sein Freiluftbüro hat. Der Mann hatte tatsächlich die Mappe meines Wagens vom Straßenverkehrsamt unter dem Arm und schaute sich die Reifen, die Fahrgestellnummer und die Sicherheitsgurte an. Werkzeuge oder Prüfgeräte hat er nicht. Und dann die Überraschung - wir mussten den Wagen nochmals wiegen lassen, aber nur die vordere Hälfte. Warum? Wir fragten vorsichtshalber nicht nach. Also wieder zum Zementwerk und nur die Vorderräder auf die Waage gestellt. Jetzt zeigte die Waage 860 kg an.

 Wieder zurück zur Direcção Regional de Transportes Terrestres. Joel hat inzwischen eine Bescheinigung vom Centro de Segurança Social da Madeira besorgt, die klarstellt, dass ich keine Schulden bei der hiesigen Kfz-Steuer habe. Inzwischen musste ich auch die Strom-, Wasser- und Gasrechnungen des Jahres 2011 aus Monheim bei den Despachanten, das sind die Zollhelfer, vorlegen. Damit soll sichergestellt werden, dass ich auch tatsächlich das letzte Jahr in Deutschland und nicht in Usbekistan oder sonst wo gelebt habe. Die Akte beim Zoll ist inzwischen rund 3 Zentimeter dick. Jetzt warte ich auf die "Erlaubnis", mein Auto beim TÜV vorzuführen. (Am 09. Februar 2012 ging es weiter).

 


 

 

 Plötzlich ein Anruf vom Alfãndega-Despachanten Manuel (Zollhelfer). Ich solle vorbei kommen und Geld mitbringen. Ich also nach Funchal zu dem netten Despechanten. Ich zahlte ihm für seine Arbeit 375 €. Manuel gab mir auch meine portugiesische Autonummer bekannt: 97-09.MD. Mit den mir ausgehändigten Papieren ging es wieder zum Straßenverkehrsamt. Dort bereitete man die Vorstufe für die neuen Autopapiere vor, die ich in ca. 3 Wochen zugeschickt bekomme, und knöpfte mir nochmals knapp 50 € ab. Dann ging es zum Schildermacher im oberen Teil von Funchal. Für  knappe17 € bekomme ich die neuen Autokennzeichen mit dem P im blauen Feld. Dann ging es zum TÜV in Boa Nova. Eine viertel Stunde, und die Prüfung endete mit der ersehnten Plakette, die man sich an die Windschutzscheibe kleben muss. 28 € kostete das Ganze. Vorher hatten wir noch eine Versicherung für das Fahrzeug abgeschlossen. Das Vierteljahr kostet rund 65 €, also so teuer wie in Deutschland, allerdings ohne Teilkasko Versicherung. Ich bin noch am Überlegen, ob ich die nicht für 10 € vierteljährlich dazu buche. Jetzt bin ich stolzer Besitzer eines portugiesisch zugelassenen Laguna, den ich ein Jahr lang nicht verkaufen darf.

 Rund 630 € hat mich die Ummeldeaktion gekostet, zuzüglich 65 € Versicherung. Überraschend schnell ging diese Ummeldung vonstatten. Knapp eineinhalb Monate, und ich hatte das portugiesische Nummernschild. Andere haben dazu bis zu einem halben Jahr benötigt. Ich weiß aber, das ist diese schnelle Laufzeit meinem Freund Joel zu verdanken habe. Ohne ihn wäre ich wegen meiner derzeit noch mangelhaften Sprachkenntnisse sicherlich länger auf der Tour durch die Madeirensische Bürokratie gewesen.

 

 

Hafen von Funchal

Madeira Webcam

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